Phonation

Unter Phonation versteht man den Vorgang der kontrollierten Stimmtonerzeugung durch die im Kehlkopf befindlichen Stimmlippen

Erste Hindernisse im Luftstrom

Im Kehlkopf, dem Larynx, tritt die ausströmende Luft zum ersten Mal auf eine körperliche Struktur, die kurzfristig und willentlich gesteuert die Durchflußmenge begrenzen kann.Meist entsteht diese Begrenzung der Flussmenge durch eine Verringerung des Durchmessers der Luftsäule. Solche Verengungen bzw. Behinderungen dse Luftstromes sind Voraussetzung für die Entstehung eines Schallsignals. Zur Behinderung des Luftstromes stehen im Kehlkopf - genau wie in allen anderen, im Luftstrom weiter stromabwärts in Richtung Miúnd und Nasenöffnung liegenden Bereichen des Sprechtraktes - drei verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung.

1. Die anatomischen Strukturen unterbrechen den Luftstrom für eine gewisse Zeit vollständig. Der daraus resultierende Schalleindruck ist "momentane" Stille, gefolgt von einem Knall,wenn sich dem aufgestauten Luftstrom kurz danach abrupt in einer Art "Explosion" erneut der Weg nach draußen eröffnet. Der aus der Kombination von Verschluss (Stille) und anschließender Öffnung (Knall) entstehende Sprachlaut heißt Verschlusslaut (Occlusiv), wenn bei der Lautbeschreibung der Verschlussaspekt wichtig ist. Er heißt Plosiv, wenn der Explosionsakt im Mittelpunkt steht. Tatsächlich erfasst die menschliche Sprachwhrnehmung beide Teile, Stille und Plosion, nicht getrennt, sondern ganzheitlich als einen einzigen Laut. Sie werden deshalb phonetisch auch zusammen durch ein einziges Lautsymbol gekennzeichnet. Befindet sich die Unterbrechungsstelle nicht im Kelkopf, sondern an den Lippen, die in diesem Fall zunächst aneinander gedrückt und anschließend wieder geöffnet werden, so handelt es sich um ein[p]. Der im Kehlkopf gebildete Laut ist der sog. "Knacklaut" [?]. Er ist der einzige Laut des Deutschen, der orthografisch nicht gekennzeichnet wird und deshalb von deutschen Muttersprachlern ohne phonetische Grundausbildung in der regel nicht wahrgenommen wird. Typischerweise steht er vor wortanlautenden Vokalen im Deutschen, wie z. B. in [?auf] für «auf», kann aber auch in der Umgangssprache Nordwestdeutschlands bei einigen Sprechern in gewissen Positionen die stimmlosen Plosive ersetzen, wie das [t] in [ha?n] für «hatten».

Diese Unterbrechung des Luftströmes wird aktiv gesteuert, d. h. es gibt eine durch Muskelaktivität hervorgerufene Bewegung das für die Lautbildung zuständigen Körperteils, das aktiven Artikulationsorgans, hin zum Verschluß. Auch die Öffnung, die Plosion, geschieht nicht passiv, etwa weil der Luftstrom zu einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr zurückgehalten wredn kann, sondern hierfür ist ebenfalls eine aktive Ablösungsbewegung des Artikulators nötig. Deshalb lassen sich Verschlußdauer, Plosionsstärke und Öffnungsgeschwindigkeit unabhängig voneinander variieren und verschiedene Sprachlaute erzeugen.

2. Die anatomischen Strukturen erzeugen eine Engstelle im Luftkanal und stören den Fluss des Luftstromes so stark, dass er an dieser Stelle verwirbelt. Er fließt nicht mehr gleichmäßig, laminar, d.h. in parallelen Schichten nebeneinander, sondern indem er wie ein Gebirgsbach in einer Schlucht durch eine Engstelle gepresst wird, entsteht eine turbulente Strömung. Da das menschliche Ohr jede schnelle Abweichung von einem gleichmäßigen Luftstrom bzw. Luftdruck wahrnimmt, werden auch diese Turbulenzen hörbar. Sie bewirken den Höreindruck eines Reibegeräusches (einer Friktion) bzw. eines Rauschens. Der auf diese Weise entstehende Sprachlaut heißt deshalb Reibelaut oder Frikativ.

Auch die Erzeugung eines Reibelautes erfordert eine aktive Artikulatorgeste. Sie muss den aktiven Artikulator relativ zu dem im Sprechakt gegenüberliegenden passiven Artikulator exakt so positionieren, dass die durchströmende Luft verwirbelt wird: Befinden sich beide Artikulatoren zu weit voneinander entfernt, strömt die Luft unverwirbelt hindurch, wobei sich ein sog. Approximant ergibt. Stehen sie zu nahe aneinander, wird der Luftstrom völlig unterbrochen. Die Stellung der Artikulatoren bleibt für eine gewisse Zeit bestehen (Dauer des Frikativs), um dann wiederum aktiv aufgelöst zu werden.

3. Die Strukturen verursachen einen ständigen Wechsel von Unterbrechung und Freigabe des Luftstromes. Sie schwingen dabei im Luftstrom hin und her. Die körperlichen Strukturen bewegen sich dabei ständig : sie vibrieren. Der entstehende Laut heißt Vibrant, obwohl es gar nicht die vibrierenden Körperteile sind, die man dabei hört.

Zur Erzeugung dieser Hindernisart müssen die schwingenden Teile, die Artikulatoren zunächst aktiv in eine bestimmte, einander genäherte Position gebracht werden. Der Vibrationsvorgang hängt dann nur noch von der Stärke des Luftstromes, der Masse und der Elastizität der schwingenden Teile ab.Er vollzieht sich also passiv. Ändert sich die Stärke des Luftstromes, die Masse und die Elastizitätbedingungen während dieses Prozesses nicht, so stellt sich ein nahezu gleichmäßiger Vorgang ein: Die Strukturen - im Kehlkopf die Stimmlippen - schwingen (fast) periodisch. Wie schnell dies geschieht, hängt wiederum von der Stärke des Luftstromes, der Elastizität und der Masse der schwingenden Körperteile ab.Dabei schwingen typischerweise kleinere Strukturen schneller als größere.

Im Bereich des Kehlkopfes sind die vibrierenden Strukturen, die Stimmlippen, sehr klein. Sie schwingen normalerweise besonders oft, so oft, dass das Ohr die einzelnen Schwingungszyklen nicht mehr voneinander trennen kann: Die Stimmlippenschwingungen werden als gleichmäßiges Summen, als ein Ton, genannt Stimmton, wahrgenommen.

Bei den größeren, massenreicheren und deshalb langsamer schwingenden Strukturen im Mundraum, wie der Zungenspitze, den Lippen oder dem weichen Gaumen mit dem Gaumensegel kann das Ohr die einzelnen Schwingungen noch erkennen. Es wird kein Ton wahrgenommen, sondern eher ein Flatter - oder Gurgelgeräusch, ein Vibrant.

Tatsächlich heißt nur der bei der Vibration größerer Massen auftretende Sprachlaut Vibrant.

Der im Kehlkopf mit den winzig kleinen Stimmlippen erzeugte "Sprachlaut" wird vom Ohr des Hörers nicht als solcher wahrgenommen, sondern phänomenal verschieden, als Stimmton. Insofern bildet der Luftströmungsmechanismus im Kehlkopf - obwohl sich die physikalischen Abläufe nicht grundlegend von denen stromabwärts unterscheiden - etwas besonderes und verdient eine gesonderte Beschreibung.

Der Kehlkopf

das Knorpelgerüst das Kehlkopfs besteht aus fünf Knorpeln.

Als Basis dient der Ringknorpel (das Cricoid), der die obere Begrenzung der Luftröhre dastellt.

Darüber befindet sich der hinten offene Schuldknorpel (das Tyroid), der aus zwei seitlichen Platten besteht, die vorne V-förmig zusammenstoßen und den Adamsapfel bilden.Der hintere Rand der beiden Platten weist jeweils ein oberes Horn, das über Bänder mit dem Zungenbein (das Hyoid) verbunden ist, und ein unteres Horn auf, das zu den seitlichen Gelenksflächen des Cricoids reicht. Durch diese gelenkige Verbindung zwischen Cricoid und Thyroid kann letzteres eine Kippbewegung ausführen.

Auf den Gelenksflächen am hinteren oberen Rand des Cricoids sitzen die beiden pyramidenförmigen Stellknorpel (Aryknorpel) auf, die mit ihrer dreieckigen Grundfläche auf dem Cricoid Gleit- und Drehbewegungen ausführen können.

Schließlich gehört zu den Knorpeln des Kehlkopfs noch der innen an der Vorderkante des Tyroids beweglich ansetzende, schuhlöffelförmig aufgestellte Kehldeckel (die Epiglottis), der beim Schluckvorgang nach hinten über den Kehlkopfeingang klappt und so den Kehlkopf und damit die Luftröhre verschließt (Primärfunktion des Kehlkopfs).

Diese Teile des Kehlkopfskeletts sind miteinander durch Membranen und Bänder verbunden. Für die Phonation sind beaonders die von der mittleren Innenkante des Tyroids zum jeweiligen vorderen Fortsatz (der Processus vocalis) der beiden Aryknorpel gehenden Bänder, die Stimmbänder, von Bedeutung. Sie bilden eine Teilstruktur der so genannten Stimmlippen, welche aus dem Stimmbandgewebe, dem Stimm-Muskel (Vocalis,s.u.) und der diese Gewebe umgebenden Schleimhaut bestehen. Zwischen den beiden Stimmlippen und zwischen den Aryknorpeln befindet sich die Stimmritze (die Glottis), die dementsprechend in den vorderen zwei Dritteln einen membranösen (zwischen den Stimmlippen liegenden) und im hinteren Drittel einen knorpeligen (zwischen den Aryknorpeln liegenden) Anteil aufweist. Die Form der Glottis (offen-geschlossen) variiert in Abhängigkeit von der Stellung der Stimmlippen und der Aryknorpel. Diese Stellungsvariationen erfolgen durch die innere Kehlkopfmuskulatur (s.u.).

Die oberhalb der Stimmlippen etwas weniger zur Mitte gehenden Falten heißen Taschenfalten. Sie werden wegen ihrer teils pathologischen, teils erwünschten phonatorischen Funktion auch falsche Stimmlippen genannt.

Die Kehlkopfmuskulatur lässt sich funktional und von der Lage her in die äußeren und die inneren Kehlkopfmuskeln unterteilen.

Die äußere Kehlkopfmuskulatur verbindet den Kehlkopf nach oben über das Zungenbein mit dem Unterkiefer und der Schädelbasis, nach unten mit dem Brustbein. Dadurch kann die vertikale Lage des Kehlkopfs verändert werden, was phonetisch insbesondere für die Auf- und Abwärtsbewegungen beim glottalen Luftstrommechanismus von Bedeutung ist.

Die innere Kehlkopfmuskulatur hat im wesentlichen drei Funktionen: Öffnen und Schließen der Glottis, sowie Spannungsveränderungen der Stimmlippen. Die öffnungsbewegung (Abduktion) führt zur Respirationsstellung, die Schließbewegung (Adduktion) zur Phonationsstellung. Im Einzelfall handelt es sich um folgende Muskeln:

a) Posticus, der von den hinteren äußeren Fortsätzen (Processus musculares) der Aryknorpel zur Hinterseite der Cricoidplatte zieht. Durch Kontraktiondes Posticus werden diese Fortaätze nach hinten einwärts geschwänkt, sodass sich die vorderen Fortsätze (Procc.vocales) mit den dort ansetzenden Stimmlippen auseinander bewegen.

b) Lateralis, der ebenfalls an den Procc.musculares der Aryknorpel ansetzt, jedoch nach seitlich vorne zum Cricoid verläuft. Durch Kontraktion des Lateralis werden diese Fortsätze nach vorne geschwenkt, sodass sich die Procc. vocalis mit den Stimmlippen nach innen aufeinander zu bewegen.

c) Transversus, der die beiden Aryknorpel auf ihrer Rückseite verbindet und bei Kontraktion diese Knorpel in einer Art Gleitbewegung gegeneinander zieht.

d) Vocalis, der als muskulärer Bestandteil der Stimmlippe von der Innenkante des Schildknorpels zu den Proc. vocales der Stellknorpel zieht.

e) Anticus, der vom vorderen Seitenrand des Ringknorpels zum Schildknorpel geht und bei Kontraktion eine Kippbewegung des Schildknorpels auslöst. Durch diese Kippbewegung wird der Abstand zwischen den Aryknorpeln und der Innenkante des Schildknorpels vergrößert.

Aus der Erstreckung der inneren Kehlkopfmuskeln und den durch ihre Kontraktion ausgelösten Dreh-, Gleit- und Kippbewegungen ergeben sich ihre Funktionen:

a)Glottisöffnung (Abduktion) wird allein durch den Posticus bewerkstelligt.

b)Glottisschließung (Adduktion) erfolgt durch den Lateralis für den membranösen, durch den Transversus für den knorpeligen Teil der Stimmritze.

c)Stimmlippenspannung entsteht einerseits durch den Vokalis und andererseits - über die Vergrößerung des Abstands von Stell- zu Schuldknorpel - durch den Anticus.

Der Schwingungsvorgang - Phonationsvorgang

Zur Beschreibung des Phonationsvorganges gehen wir davon aus, dass die Stimmritze zu Beginn geschlossen ist. Aufgrund der Adduktorenspannung liegen die Stimmlippen im oberen und im unteren Bereich fest aneinander. Um den Phonationsprozess zu beginnen, muss sich nun der Druck unterhalb der Glottis, der sog. subglottale Druck vom Druck oberhalb der Glottis, dem supraglottalen Druck, unterscheiden. Der subglottale Druck ist identisch mit dem Lungendruck und während der Ausatemphase gegenüber dem Druck oberhalb der Glottis erhöht. Denn dieser entspricht bei geöffnetem Mund ("momentaner Druckausgleich") dem Außendruck. Der erhöhte subglottale Druck verschiebt deshalb das Stimmlippengewebe gegen den geringeren supraglottalen Druck nach oben.

Gasdruck, genauer der Druck eines statischen, unbewegten Gases, wirkt jedoch nicht nur in eine Richtung, sondern in alle gleichmäßig. Man denke hier an das Aufblasen eines Luftballons, der sich dabei in alle Richtungen ausdehnt.

Der subglottale Druck wirkt sich deshalb auch seitlich auf die nunmehr nach oben verschobene untere Innenseite der Stimmlippen. Diese ist besonders nachgiebig und beginnt sich deshalb von der Mittellinie nach der Seite fortzubewegen. Die Seitwärtsbewegung der unteren Teile der Stimmlippen zieht dann mehr und mehr auch die oberen Bereiche der Stimmlippen mit, die so, seitlich gezogen und durch den subglottalen Druck seitlich und weiter nach oben gedrückt, kurze Zeit später auch ihre Seitwärtsbewegung beginnen.

Dadurch wird nun der Weg für die aufgestaute Luft freigegeben: Sie strömt von unten nach oben durch die Glottis hindurch. Dabei tritt der sog. Venturieeffekt auf: Ein Gas, das durch eine Engstelle strömt, wird beschleunigt. In der nur leicht geöffneten Glottis verjüngt sich der Querschnitt der Luftsäule von einigen cm² innerhalb der Luftröhre auf nur wenige mm². Die Luft fließt hier besonders schnell: Je kleiner der Querscnitt, desto höher die Strömungsgeschwindigkeit.

Bereits Daniel Bernulli hatte 1738 herausgefunden, dass sich die Druckverhältnisse in Strömungen von denen in ruhenden Gasen und Flüssigkeiten unterscheiden. Er formulierte die nach ihm benannte Bernulli-Gleichung, die für die Druckverhältnisse in laminaren (nicht turbulenten) Strömungen gilt:

Gesamtdruck = Strömungsdruck (nur in Stromrichtung)+ statischer Druck (in alle Richtungen)

Vor der Verschlussöffnung ist der Strömungsdruck gleich null, denn es wird ja keine Luft bewegt. Der Gesamtdruck entspricht deshalb dem subglottalen Druck. Auch nach der Verschlussöffnung bleibt der Gesamtdruck erhalten ("Energieerhaltung"). Da jetzt der Strömungsdruck größer als null ist, muss der statische Druck sinken. Er sinkt um so mehr, je größer der Strömungsdruck ist, und dieser ist um so größer, je größer die Strömungsgeschwindigkeit, also je größer der Venturieffekt ist.

Aufgrund dieser Tatsache bleibt der Luftstrom nach außen erhalten, denn in Stromrichtung ist der Gesamtdruck (der interglottale Druck) größer als der supraglottale Druck. Gleichzeitig wird jedoch der seitlich auf die Stimmlippen wirkende statische Druck reduziert. Diese seitliche Druckreduktion wird Bernulli-Effekt genannt.

Die Schwingung der Stimmlippen wird durch elastische Rückstellkräfte, unterstützt vom Bernulli-Effekt wieder beendet. Die Glottis schließt sich im unteren Bereich zuerst, da dort die bremsenden Spannkräfte größer sind. Die oberen Teile schließen sich daran anschließend und der Prozess kann von neuem beginnen.

Der Phonationsvorgang ist also ein Kreisprozess, der nachdem Stellung und Spannung der Stimmlippen einmal voreingestellt wurde, allein aufgrund des vorhandenen subglottalen Überdruckes passiv abläuft und sich dabei periodisch wiederholt.

Überhaupt noch nicht eingegangen sind wir auf die Frage, wie aufgrund dieses Vorganges eigentlich Schall erzeugt wird. Das Schallsignal entsteht nämlich nicht durch das "Aneinanderklatschen" der Stimmlippen bei dem dann die Stimmlippen "erzittern" und diesen Schall als Körpervibration an die Umgebung abstrahlen, sondern durch den Luftstrom.

Dieser ist aber beim Durchströmen der Glottis laminar und sollte deshalb eigentlich gar kein Geräusch erzeugen. Schall ensteht nun tatsächlich dadurch, dass aufgrund der plötzlichen Öffnung und ein darauffolgenden plötzlichen Verschlusses ein Luftbläschen, oder - so kann man es sich bildlich vorstellen -, ein Lufttropfen entsteht, der auf die ruhende supraglottale Luftsäule trifft.

Diese plötzlich dazukommende und ebenso schnell versiegende Luftmenge kann aufgrund der Massenträgheit der Luftsäule nicht einfach dadurch in diese aufgenommen werden, dass die Luftsäule ein Stück weiter nach oben und am Ende aus dem Mund herausgeschoben wird. Der Ausgleich erfolgt stattdessen dadurch, dass eine Druckwelle, quasi wie eine Schockwelle durch die Luftsäule hindurch läuft. Je größer der Lufttropfen ist, je mehr Luft während der Offenphase durch die Glottis strömt, was wiederum von der Höhe des subglottalen Druckes abhängt und je "eckiger" der Tropfen ist, je abrupter Öffnung und Verschluss der Glottis erfolgen, desto intensiver ist die entstehende Schockwelle und desto lauter wird das Signal. Der ganze Vorgang läßt sich in gewisser Weise mit dem Auftreten eines Wassertropfens auf eine ruhige Wasseroberfläche vergleichen.

Phonationsarten

Die Stimmlippen sind nicht nur in der Lage durch Schwingungen ein Schallsignal zu generieren und dabei den Luftstrom periodisch zu unterbrechen, sondern können auch auf andere Weise ein Schallsignal erzeugen. Hierzu gibt es eine Reihe von Hindernisarten und daraus resultierende Schallereignisse von der Friktionsbildung, dem Flüstern, bis hin zum Verschluss mir anschließender Plosion. Alle diese unterschiedlichen Behinderungsformen können durch spezifische laryngale bzw. glottale Einstellungen hervorgerufen werden:

Sie werden Phonationsarten genannt

Obwohl unbestritten ist, dass es unterschiedliche Phonationsarten gibt, bietet die Literatur ein recht uneinheitliches Bild. Dies betrifft nicht nur die Bezeichnung, sondern auch die Beschreibung der einzelnen Phonationsarten. Es gibt kein einheitliches allgemein anerkanntes Klassifikationssystem.

Die folgende Einteilung ist deshalb nicht ohne weiters mit anderen vergeichbar!

1. Atemstellung: Die Stimmlippen sind soweit abduziert, dass durchströmende Luft keine Verwirbelungen verursacht. Es entsteht kein Schall. Die Atemstellung oder eine noch etwas stärker abduzierte Stellung wird bei der Erzeugung der stimmlosen Reibelaute [f],[s] usw. und der stimmlosen Plosive [p],[t]usw. beobachtet. Die maximale Offenstellung, die weit über die Atemstellung hinausgeht, tritt dagegen nur beim forcierten Einatmen etwa bei großer körperlicher Anstrengung auf.

2. Eine leichte Adduktion verursacht eine gegenüber der Atemstellung verengte Glottis. Die durchströmende Luft verwirbelt und erzeugt ein Rauschsignal. Dieses Rauschsignal kann als Sprachlaut [h] auftreten oder in bestimmten Sprechsituationen als Flüstern den Stimmton ersetzen. Im Hinblick auf die Form der Glottis sind dabei zwei Stellungen der Stimmlippen möglich: Die voll-glottale Engbildung, bei der sowohl die muskulöse wie auch die knorpelige Glottis noch leicht geöffnet sind und die sog. Flüsterstellung, bei der die muskulöse Glottis geschlossen ist, die knorpelige Glottis dagegen eine dreieckförmige Öffnung, das sog, Flüsterdreieck aufweist.

3. Vollständige Adduktion der Stimmlippen. Es kommt zu einer Unterbrechung des Luftstromes und zu einer plötzlichen Öffnung. Dieser Prozess wird paralinguistisch beim Heben schwerer Lasten und bei der Unterstützung der Darmtätigkeit, sowie wahrscheinlich beim Schlucken verwendet. In sprachlicher Hinsicht bildet eine Kombination von Verschluss und Freigabe den glottalen Plosiv [?].

4.Die vollständige Adduktion ist auch Voraussetzung für die "normale" oder "modale" Stimmgebung. Dabei liegen die Stimmlippen entlang der gesamten Glottis aneinader und werden mit "normaler" Kraft medial zusammen gedrückt und in Längsrichtung "normal" gespannt. Diese Stellung wird für die "normale" Stimmgebung verwendet.

5. In gleicher Weise adduziert, aber in anderer Weise gespannt, erzeugen die Stimmlippen eine andere Stimmqualität, die Knarrstimme. Charakteristisch für die Knarrstimme sind tieffrequente und z. T. irreguläre Schwingungen bis auf 30 Hz. hinab. Bei diesen tiefen Frequenzen vermag das Ohr bereits die einzelnen Schwingungszyklen der Stimmlippen wahrzunehmen. Die Knarrstimme findet man - vor allem bei Männern - am Ende einer Äußerung. Hier mag die muskuläre Vorbereitung auf die Atemstellung zusammen mit dem nachlassenden subglottalen Druck gegen Äußerungsende zu einer vom Sprecher unbeabsichtigten Veränderung der Phonationsart führen.

Alle der genannten Phonationsarten lassen sich miteinander kombinieren. Je komplexer diese dadurch entstehenden kombinierten Phonationsarten jedoch werden, desto unklarer wird jedoch, wie sich diese Kombinationen auf der physiologischen Ebene manifestieren. Denn die Beschreibungen der kombinierten Phonationsarten geben oftmals nur auditive Eindrücke wieder und sagen nichts darüber aus, wie die Stellung der Stimmlippen und ihr Schwingungsverhalten tatsächlich ist. So wird die Kombination von Knarrstimme und Normaler Stimme als ein Schallsignal beschrieben, bei dem man zwei Bestandteile auditiv wahrnehemen kann, von denen der eine Teil die normale Stimmtonkomponente repräsentiert, der andere den Knarrstimmanteil.

Relativ klar und einsichtig erscheint unter den möglichen Kombinationen die Hauchstimme. Dabei verbindet sich die Friktionskomponente(2) mit der "normalen" Vibrationskomponente(4). Es entweicht Luft geräuschhaft während die Stimmlippen schwingen.

Während sich die Hauchstimme als Kombination der Phonationsarten (2)und(4) darstellt, ist auch eine Kombination von (1)und(4) denkbar. In diesem Fall würde die durch die ständig geöffnete Glottis strömende Luft nicht turbulent werden. Diese Kombination, die keine wahrnehmbaren Friktionsanteile enthält, besitzt jedoch eine im Vergleich zur normalen Stimme unterschiedliche Klangfarbe. Entsprechend ergibt sich durch die Kombination von (2)und(5) eine Hauchknarrstimme.



Z U R Ü C K


© 2007 Reinhold Greisbach (Institut für Linguistik - Phonetik)
Universität zu K;ln

Erstellt von Sabine Müller-Reil im Rahmen
des Seminars Phonetik des Deutschen im SS 07
am FB 07 der Universität Osnabrück

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